Datum: | Donnerstag, 19. April 2012 um 20:00 Uhr | |
Veranstaltungsort: | Jazzclub im Leeren Beutel | |
Veranstalter: | Jazzclub Regensburg e.V. | |
Besetzung: | Malia – voc Alexandre Saada – p Jean-Daniel Botta – b Laurent Sériès – dr |
Abendkasse: | 18.00 € |
Vorverkauf: | 17.00 € |
Ermässigung: | 16.00 € |
Schüler/Studenten: | 12.00 € |
Mitglieder: | 10.00 € |
Die Nobelpreisträgerin Toni Morrison feierte Nina Simone einst mit dem Ausspruch, dass sie „unser Leben gerettet“ habe, hatte Simone doch mit ihren Songs die Bürgerrechtsbewegung der Sechzigerjahre motiviert und inspiriert. In ihren Liedern erfuhr die Welt in seltener Offenheit den Ausdruck von Wut, Kraft und Selbstzweifel als mit dem Tod von Martin Luther King, Jr. der Traum von einer friedlichen Gesellschaftsveränderung zugunsten eines schwarzen Amerikas für lange Zeit begraben wurde. Wie Duke Ellington und Miles Davis lehnte auch Simone das Wort Jazz für ihre Musik ab, weil es für die meisten Weißen „schwarz und Dreck“ bedeuten würde: Sie hingegen spielte schwarze klassische Musik.
Als Malia Jahrzehnte später mit ihrem französischen Trio dieses eindringliche und selbstbestimmte Tribut-Album für Nina Simone aufnimmt, schließt sich für sie ein Kreis. Dass das Leben auf vielen Ebenen schwere Prüfungen für Nina bereithielt, wird in ihrer Autobiografie „Meine schwarze Seele“ ausführlich beschrieben, doch für Malia zählen jene Details erst dann wirklich, wenn sie sie auch im Song spürt. An Nina Simone bewundert Malia genau jene Gabe, die scheinbar einfachen Dinge des Lebens, den Schmerz und die Leidenschaft, die Liebe und den Tod, zu etwas ganz Großem und Eigenem zu machen. Tiefe Gefühle, die von der Stimme transportiert werden, gute Texte, deren Poesie ganz unterschiedliche Lebenswelten zu durchdringen vermag. Malia fasziniert die menschliche Wärme, die in Ninas Musik so präsent war. „Wenn Nina Klassiker wie ‚Don’t Explain’ und ‚Porgy’ singt, spürt man genau, wie sie durch ihre Interpretationen zu ihren Songs wurden. Das Leiden und die Rechtlosigkeit der schwarzen amerikanischen Frau war ein Thema, das Nina damals sehr beschäftigt hat und sie hat sich engagiert. Doch was mich heute berührt, ist, dass ihre Songs auch dann noch gültig sind, wenn sich die sozialen Umstände verändert haben. Das meine ich mit menschlicher Tiefe, wenn man unterdrückt wird, muss man kämpfen.“
Malia liebt „My Baby Just Cares“ besonders wegen der Melodie und jenem besonderen Gefühl, wie schön es ist, geliebt zu werden. Malia wollte ein Balladenalbum aufnehmen und deshalb erscheint selbst bei einem innerlich freudestrahlenden Song wie „My Baby Just Cares“ das Tempo halbiert. Bei „Don’t Explain“ wird das Gegenteil thematisiert, „wie es sich anfühlt, wenn man den Falschen liebt und doch zusammenbleibt“. In „Four Women“ geht es um verschiedene Erfahrungen afroamerikanischer Frauen, doch Malia hört und empfindet den großen Simone-Song nicht nur als historische Abhandlung über Rassismus und was es einst bedeutete, als schwarze Frau in den USA zu leben. Malia hört und interpretiert „Four Women“ als Ballade über die menschliche Leidensfähigkeit, „Ich kann mich mit jeder dieser Frauen identifizieren. Ich wuchs mit Segregation und Unterdrückung auf, ich habe gelernt, dass die Welt mehr ist als ein Monopoly für weiße Menschen.“ Bei den großen Songs, die Malia für ihr Album ausgesucht hat, geht es in immer wieder neuen Variationen um Liebe und verpasste Möglichkeiten und um Texte und Melodien, die direkt ins Herz treffen. Was Nina Simone so groß gemacht hat, war ihre künstlerische Fähigkeit, den Rassismus zu überwinden. „Sie wendet sich an einen Weißen und erinnert ihn an die Schandtaten seiner Vorfahren, sie wendet sich an einen Schwarzen und vermittelt ihm ein Gefühl der Stärke und Zuversicht. Doch meine Hautfarbe macht mich nicht zu einem besseren Menschen.“
Malia wuchs in Malawi auf, ihre Mutter war schwarz, ihr Vater ein weißer britischer Ingenieur. Malawi war eine ehemalige britische Kolonie und stark von Segregation und Rassimus geprägt, dass ihre Eltern zusammenlebten war nicht vorgesehen und brachte Probleme mit sich. Das Leben in der Ex-Kolonie beschreibt Malia als geschlossen und weltfremd, vom Westen abgeschottet, „wie in einer Blase“. Erst als sie nach London umzog - Malia war damals vierzehn - öffnete sich die Welt. Als sie dort später in einem Jazz-Restaurant arbeitete, lernte sie die Musik lieben, die sie heute selbst singt. Sie entdeckte die guten Platten und Billie Holiday, Sarah Vaughan, Ella Fitzgerald wurden ihre Lehrerinnen. Jazz wurde zu ihrer Musik, die Jazz-Community zu einer neuen Heimat. „Songs wie ‚Strange Fruit’ und ‚Young, Gifted and Black’ lehrten mich, stark und stolz zu sein. Ich brauchte Duran Duran nicht, für mich wurde der Jazz zum Soundtrack meines Lebens.“
Wenn Malia heute Nina Simone singt, hat das auch damit zu tun, dass sie in sich selbst jetzt diese gewisse Reife spürt, ein tiefes Verstehen, das weit über die Sprache hinausreicht. Es entspricht ihrer Lebenserfahrung, der Mentorin auf diese Weise Dank zu sagen. Die Geschichten, die Simone sang und überlieferte, spielen bei Malias Interpretationen die Hauptrolle, Malia bewahrt jene Melodien von minimalistisch berauschender Größe und spitzt sie mit eindeutigen, beschwörenden Rezitationen noch zu. Wenn Malia heute Nina Simone singt, denkt sie an eine schwarze Orchidee. „Selten, schön, mächtig, mystisch, außerirdisch schwarz, überwältigend.“